Das Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche ist nicht neu. Zu viele Enthüllungen in der Vergangenheit sorgten dafür, dass die Institution das Thema nicht vom Tisch bekam. Kaum ein Bistum war hiervon ausgenommen. Seit 2010 beschäftigt das Thema die deutsche Öffentlichkeit. Die Aufarbeitung innerhalb der katholischen Kirche und die Behandlung von Missbrauchsopfern blieb aber weitgehend unsichtbar. Anlass eine Zwischenbilanz zu ziehen.
In Louisiana kommt ein Priester nach Kindesmissbrauch ohne Schadenersatz davon – weil die Taten lange genug zurückliegen. Der Oberste Gerichtshof des US-Bundesstaates kippte im März die verlängerte Frist für Zivilklagen von Opfern sexueller Gewalt. Das erst 2021 eingeführte Gesetz (Louisiana Child Victims Act) ermöglichte den Opfern vorübergehend, die Täter juristisch zu belangen, ohne an eine Verjährungsfrist gebunden zu sein. Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus: Vier der sieben Richterinnen und Richter votierten für die Streichung.
Die aktuelle Erklärung des Vatikan mit dem Titel "Dignitas Infinita" (Unendliche Würde) will den weltweit 1,4 Milliarden Katholiken eine Richtschnur geben, wie sie beim Thema Menschenwürde denken sollen. Wenn sich die rund 21 Millionen deutschen Katholiken daran ein Vorbild nehmen, werden sie in wichtigen politisch-gesellschaftlichen Feldern keinen leichten Stand haben. Es geht um die auch hierzulande hochaktuellen Themen Abtreibung, Leihmutterschaft, Sterbehilfe oder sexuelle Selbstbestimmung.
Im Hildesheimer "Theater für Niedersachsen" läuft ein ungewöhnliches Experiment: Es werden die Missbrauchsfälle der Kirche auf die Bühne gebracht. Karl Haucke ist Betroffener körperlicher, sexualisierter Gewalt in einem katholischen Ordensinternat. Und er steht selbst neben professionellen Schauspielerinnen und Schauspielern auf der Bühne. Nach der Premiere des Stücks am vergangenen Samstag sprach hpd-Autor Peter Kurz mit ihm über die Entstehungsgeschichte und den Hintergrund des Stücks. Und über die Reaktionen des Publikums auf diesen schweren Stoff.
Erich Scheuch geriet im Alter von fünf Jahren in die Fänge einer brutalen Erzieherin. Erst nach sieben Jahren Prügel und Demütigung wurde er erlöst. Doch das Leid verfolgt den 67-Jährigen noch heute Tag und Nacht. Peter Kurz sprach für den hpd mit dem Missbrauchsopfer.
Auch im katholischen Polen zieht der Skandal um sexuelle Gewalt in der Kirche weite Kreise. Im Mittelpunkt des aktuellsten Falles steht der Rücktritt von Andrzej Dziuba, dem Bischof von Lowicz. Dem 74-jährigen werden Versäumnisse bei der Aufarbeitung von Missbrauchsbeschuldigungen gegen Priester seiner Diözese vorgeworfen.
Die Organisation Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier (MissBit e.V.) hat versucht, mit Bischof Stephan Ackermann eine formelle Kooperationsvereinbarung zu schließen, die die individuelle Aufarbeitung für Betroffene zum Inhalt hatte. Diese hat er jedoch abgelehnt.
Nach dem Willen des Europarats sollen europäische Überlebende von Kindesmissbrauch in staatlichen oder religiösen Institutionen Gerechtigkeit erfahren durch Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, eine offizielle Entschuldigung sowie Wiedergutmachungszahlungen.
2003 gründete der selbst ernannte Pastor Paul Nthenge Mackenzie in Kenia seine Good News International Ministries Kirche. Aus der Mini-Kirche entwickelte sich eine größere Gemeinde mit eigenem Landbesitz. Im April 2023, nach dem Hilferuf des Angehörigen zweier Kirchen-Anhängerinnen, untersuchten die Behörden das Land und fanden zahlreiche Gräber. Sektenführer Mackenzie leugnete jede Schuld. Nun steht er wegen zahlreichen Anschuldigungen vor Gericht, unter anderem Mord, Kindesmisshandlung und Terrorismus.
Die Evangelische Kirche hat sich in Sachen Missbrauch jahrelang hinter der katholischen Kirche versteckt. Eine nun veröffentlichte Studie zeigt: auch hier ging es vor allem um den Schutz der Täter. Vertuschen, Verschleiern, Verschleppen stand im Vordergrund.
Missbrauchsskandal – bei uns doch kein Thema! Lange Zeit hegte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Illusion, dass sexuelle Gewalt eher ein Problem im katholischen Umfeld sei. Doch eine jetzt veröffentlichte Untersuchung zeichnet ein gänzlich anderes Bild. Mindestens 1.259 Beschuldigte, darunter 511 im Pfarramt, und über 2.225 Betroffene listet die ForuM-Studie in EKD und Diakonie.
Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) demonstriert mit zwei Kunstinstallationen heute in Hannover gemeinsam mit der Betroffeneninitiative Hildesheim gegen die Verschleppungstaktik der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Protestaktion findet anlässlich der für 12:30 Uhr angekündigten Veröffentlichung der großen Studie zu sexualisierter Gewalt in EKD und Diakonie statt.
Wegen Missbrauchsvorwürfen ermitteln die Schweizer Behörden an einer Schule der katholischen Piusbrüder in der Schweiz. Anlass ist ein Artikel in der Schweizer Tageszeitung "Le Temps", in dem ein früherer Schüler von physischer, psychischer und sexueller Gewalt in seiner Grundschulzeit berichtete.
Ein weiterer Missbrauchsskandal erschüttert die römisch-katholische Kirche: Der heute 39-jährige Josef Henfling, bei Pflegeeltern katholisch konservativ aufgewachsen, kam über mehrere Zwischenstationen ins Bischöfliche Seminar Zwettl zu den "Dienern Jesu und Mariens" – er sollte Priester werden. Dort wurde ihm jede Eigenständigkeit genommen: er konnte auf die Alimentenzahlungen seines Vaters nicht mehr zugreifen und hatte im Seminar keine Krankenversicherung. Im Rückblick meint Henfling, er sei als Missbrauchsopfer "abgerichtet worden".
Nach Veröffentlichung einer Missbrauchsstudie ist es in der Schweiz zu einer Welle von Austritten aus der römisch-katholischen Kirche gekommen. Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung Schweiz (FVS), fordert, dass dies endlich auch politische Konsequenzen in Hinblick auf die Privilegien der Kirche haben müsse.