Missbrauch

Schweizer Behörden ermitteln gegen die Piusbrüder

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Écône in Valais/Wallis, Schweiz
Écône in Valais/Wallis, Schweiz

Wegen Missbrauchsvorwürfen ermitteln die Schweizer Behörden an einer Schule der katholischen Piusbrüder in der Schweiz. Anlass ist ein Artikel in der Schweizer Tageszeitung Le Temps, in dem ein früherer Schüler von physischer, psychischer und sexueller Gewalt in seiner Grundschulzeit berichtete.

Die Vorfälle sollen sich in einer von Piusbrüdern geleiteten Grundschule im Ort Ecône ereignet haben. Nach Angaben des heute 41-Jährigen hätten Mitschüler ihn mit herabgelassener Hose mit Stöcken geschlagen. Zu dieser Zeit sei er jünger als acht Jahre gewesen. Später habe er weitere sexualisierte Gewalt in einem Internat erlitten, das den Piusbrüdern nahesteht.

Die Behörden des Kantons Wallis untersuchen nun, ob es dort noch immer zu derartigen Vorfällen kommt. Nach den Enthüllungen von Le Temps gehe es darum, die Sicherheit und das Wohlergehen der Schüler zu gewährleisten, sagte der Leiter der Dienststelle für Unterrichtswesen im Wallis.

Den aktuellen Recherchen zufolge lägen zudem auch Vorwürfe von sektenähnlichen Strukturen zur Kontrolle der Gläubigen vor. Nach Angaben einer Selbsthilfegruppe von Missbrauchsopfern gebe es etwa 60 "problematische Priester" innerhalb der Bruderschaft.

Le Temps hat nach eigenen Angaben Monate lang in der Schweiz, Belgien und Frankreich recherchiert und zahlreiche Zeugenaussagen von ehemaligen Schülern, Eltern und Selbsthilfegruppen zusammengetragen. Die Recherche förderte auch die Aussage eines Betroffenen zutage, der als Kind in einem französischen Internat sexuelle Gewalt durch einen Betreuer erlitten habe. Der Täter habe "Freude am Leid anderer gehabt", heißt es darin, "Er hat mich verprügelt und mich direkt danach geküsst." Ferner untersuchten die JournalistInnen Gerichtsverfahren gegen verurteilte Täter und interne Dokumente der Piusbruderschaft aus der Zeit von ihrer Gründung 1970 bis zum Jahr 2020.

Piusbruderschaft immer wieder im Zentrum von Skandalen um sexuelle Straftaten

Die Gruppe (offiziell: Piusbruderschaft St. Pius X.) entstand als Gegenbewegung zu den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Schweiz. Laut eigener Darstellung tritt sie "für eine traditionelle, katholische Weltsicht" ein. Die Mitglieder sind Kleriker, einige arbeiten in der Priesterausbildung oder unterrichten an Schulen.

Immer wieder stehen Angehörige der Piusbruderschaft im Zentrum von Skandalen um sexuelle Straftaten. 2017 wurde einer von ihnen wegen mehrfacher Vergewaltigung zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Zuvor war er nach internen Ermittlungen lediglich in ein Kloster versetzt worden. Erst nach Beginn der staatlichen Ermittlungen stellte die Piusbruderschaft den Behörden die Dokumente ihrer eigenen Untersuchungen zur Verfügung.

Im selben Jahr verurteilte ein Gericht einen anderen Piusbruder zu drei Jahren Haft wegen sexualisierter Gewalt gegenüber minderjährigen Jungen. Obwohl diese Fälle der Bruderschaft lange bekannt waren, sahen die Verantwortlichen davon ab, die staatlichen Behörden zu informieren. Auf Anraten ihrer Juristen beließen sie es bei milden Sanktionen: Internetverbot und einer zehnjährigen Beobachtungszeit.

Eine weitere Verurteilung liegt erst wenige Monate zurück: Im Juni 2023 hatte ein Schwurgericht in der Vendée (Frankreich) ein Mitglied der Bruderschaft wegen Vergewaltigung und sexueller Übergriffe auf 27 Minderjährige zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

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