Missbrauchsverfahren vor dem Landgericht Traunstein:

Klägeranwalt kritisiert Kanzlei-Gutachten

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Symbolische Aktenordner waren auf den Schriftzug gestapelt
Symbolische Aktenordner

Im Missbrauchsverfahren vor dem Landgericht Traunstein kritisiert der Klägeranwalt Andreas Schulz die Kanzlei WSW. Deren Gutachten habe den verstorbenen Papst Benedikt XVI. geschützt – weil ein zentraler Beleg für dessen Mitverantwortung am weiteren Einsatz des Priesters, der dann wieder zum Täter wurde, nicht ausgewertet worden sei.

Der Klägeranwalt Andreas Schulz kritisiert in einem Schriftsatz an das Gericht die renommierte Kanzlei Westphal-Spilker-Wast. Die Münchner Anwälte hätten einen wichtigen Beleg für die Verantwortung Ratzingers "nicht in das Missbrauchs-Gutachten für das Erzbistum Freising und München eingebracht", schreibt Schulz. Es sei offenbar "in letzter Konsequenz" darum gegangen, "den emeritierten Papst zu schützen", heißt es in dessen Schriftsatz an das Landgericht Traunstein, das Correctiv vorliegt.

"Unser Auftrag durch die Erzdiözese München und Freising war auf die Beurteilung des Wirkens Kardinal Ratzingers in seiner Zeit als Erzbischof beschränkt", schreibt Ulrich Wastl auf Anfrage von Correctiv. Seine Kanzlei habe sämtliche bekannten Fakten, die zur Erfüllung des konkreten Auftrags erforderlich waren, ausführlich dargestellt. Der vom Klägeranwalt behauptete Verdacht entbehre jeglicher tatsächlichen Grundlage, schreibt Wastl.

Der 39-jährige Andreas P. verklagt das Erzbistum auf 300.000 Euro Schmerzensgeld und die Erben des Papstes auf 50.000 Euro, da sie daran mitgewirkt haben sollen, einen verurteilten Sexualverbrecher erneut in der oberbayerischen Gemeinde eingesetzt zu haben, in der der Kläger von diesem missbraucht wurde.

Heute findet vor dem Landgericht Traunstein der erste Verhandlungstag statt. Da es nicht gelungen ist, einen Rechtsnachfolger für den verstorbenen Papst zu finden, trennte das Landgericht Traunstein die Klage am Montag ab.

Klägeranwalt kritisiert WSW-Gutachter

Bei dem Streit der Anwälte geht es um die "Traubensaft-Erlaubnis" für den "pädophilen" Priester. Der spätere Papst Kardinal Ratzinger hatte 1986 als Präfekt der Glaubenskongregation diese erteilt und unterschrieben, nachdem ihm in einem Bittgesuch des Erzbistums die Information über die Sexualstraftaten des Priesters an Minderjährigen nach dessen Verurteilung 1986 vorlagen, wie eine Recherche von Correctiv und Bayerischer Rundfunk zeigten. Danach wurde der Priester in Garching an der Alz eingesetzt, wo er neben anderen Jungen auch den Kläger missbrauchte.

Auch der WSW-Kanzlei lag der Schriftwechsel vor. Im Gutachten schreiben die Anwälte aber lediglich "von der zuständigen Behörde in Rom". Das Gutachten sorgte für Furore, weil es dem damaligen, mittlerweile verstorbenen Papst eine Unwahrheit nachwies: Dieser hatte geleugnet, als Erzbischof an einer Sitzung 1980 teilgenommen zu haben. Auf der Sitzung war beschlossen worden, den Priester aus Essen in München aufzunehmen. Rechtsanwalt Schulz bewertet die Aufregung um die Papstlüge als "mediales Ablenkungsmanöver".

"Die Verantwortung von Kardinal Ratzinger für den Missbrauch am Kläger kristallisiert sich nur sehr rudimentär in seiner Zeit als Erzbischof und der notorischen Ordinariatssitzung von 1980 heraus, während hingegen die Traubensaft-Erlaubnis zentral und mit seiner Unterschrift dies in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation belegt", schreibt Schulz.

Die WSW-Kanzlei begrüße, "die Tätigkeiten und Ämter von Kardinal Ratzinger, dem späteren Präfekten der Glaubenskongregation und Papst Benedikt", aufzuarbeiten, schreibt Wastl gegenüber Correctiv.

Die komplette Recherche findet sich hier.

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