„Eine Frauenrevolution kann uns retten“

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Mina Ahadi in Regensburg, Foto: © Evelin Frerk

TRIER. (hpd) Die Iranerin Rayhaneh Jabbari wurde Opfer eines Vergewaltigungsversuchs. Mit einem Taschenmesser stach sie dem Täter in die Schulter, welcher daraufhin an den Verletzungen der Notwehr starb. Nach siebenjähriger Haft soll sie nun gehängt werden. Über die aktuellen Entwicklungen sprach der hpd mit Mina Ahadi, Mitbegründerin des Internationalen Kommitees gegen Todesstrafe.

 

hpd: Hallo Frau Ahadi,
können Sie kurz schildern, warum Rayhaneh Jabbari hingerichtet werden soll?

Mina Ahadi: Die 26jährige Rayhaneh Jabbari soll gehängt werden, weil sie Morteza Abdolali Sarbandi, Arzt und ehemaliges Mitglied des iranischen Geheimdienstes, in Notwehr getötet haben soll. Mit einem Taschenmesser stach sie dem Täter in die rechte Schulter, um sich gegen einen Vergewaltigungsversuch zu verteidigen. Obwohl die iranische Justiz den Tathergang nicht hinreichend untersucht hat und viele Fragen offen blieben, wurde Rayhaneh Jabbari wegen einem geplanten Mord zum Tode verurteilt. Nach siebenjähriger Haft soll Rayhaneh nun in Kürze hingerichtet werden.

Es gab in der Vergangenheit schon ähnliche Fälle. Wenn eine Frau im Iran vergewaltigt wird, kann dies dazu führen, dass sie wegen außerehelichem Sex gesteinigt wird. Frauen können außerdem eine Todesstrafe erhalten, wenn sie sich wie Rayhaneh Jabbari gegen die Vergewaltigung zur Wehr setzen.

 

Wie wird der Fall bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Auf Facebook und in anderen Medien gibt es viele Diskussionen über Frauenrechte und das Verfahren der iranischen Justiz bei Vergewaltigungen. Insbesondere Frauen interessiert der Fall um Rayhaneh und viele schreiben dazu Artikel. Man beschäftigt sich zur Zeit auch verstärkt mit der Todesstrafe. Leider haben sich die Parteien und die Regierung in Deutschland nicht zu diesem Fall geäußert.

 

Was wurde bisher gegen die geplante Hinrichtung unternommen?

Mit drei anderen Frauen, die in der iranischen Opposition aktiv sind, habe ich eine Kampagne gegen die Hinrichtung von Rayhaneh lanciert. Wir haben eine Online-Petition gestartet, die mittlerweile von über 125.000 Personen aus der ganzen Welt unterzeichnet wurde. Da die Mutter von Rayhaneh eine bekannte Künstlerin und Regisseurin ist, haben sich auch sehr viele iranische Künstlerinnen und Künstler an der Kampagne beteiligt. Neben offenen Briefen gab es auch eine Sitzung mit den Angehörigen des getöteten Mannes, die letztlich über das Leben Rayhanehs entscheiden dürfen. Dort haben bekannte Persönlichkeiten darum gebeten, von der Todesstrafe abzusehen.

Es gab außerdem sehr viele Demonstrationen - beispielsweise in Stockholm, Kiel, Hamburg und heute auch im Iran. Bis zum Ende kämpfen Menschen also für Rayhaneh Jabbaris Freilassung. Frühere Fälle haben gezeigt, dass öffentlicher Druck durchaus etwas bewirken und maßgeblich zur Rettung betroffener Frauen beitragen kann.

 

Was müsste geschehen, damit sich die Situation der Frauen im Iran allgemein verbessert?

Ich denke, dass eine Frauenrevolution uns retten kann. Die Islamisten haben eine sehr brutale Politik gegen Frauen betrieben. Im Iran gibt es jedoch eine sehr aktive Bewegung von selbstbewussten Frauen, die gegen diese Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen vorgehen und damit auch öffentlich beachtet werden.

Da man den Islam nicht reformieren oder demokratisieren kann, muss diesbezüglich eine avangardistische Position bezogen werden. Das bedeutet, dass man islamische Regierungen scharf kritisieren und letztlich auch absetzen muss. Solch einen konsequenten Emanzipationskampf gegen die politische Religion und ihre Menschenrechtsverletzungen gab es auch in Europa gegen das Christentum, an dem schließlich auch die Frauenrechtsbewegung beteiligt war.

 

Liebe Frau Ahadi! Vielen Dank für das Interview und Ihren Einsatz für die Menschenrechte!

Das Interview führte Florian Chefai

 

Übersetzungen des Interviews im Anhang (Englisch, Schwedisch, Französisch):