Anhaltender politischer Druck ist nötig

MANNHEIM. (hpd) Hochkarätig besetzt war das Podium auf einer Diskussionsveranstaltung des AK Säkulare Grüne zum Kirchlichen Arbeitsrecht in Mannheim. Nach drei Stunden lebhafter Debatte war klar: Beim Kirchlichen Arbeitsrecht stehen Veränderungen vor der Tür, doch es ist anhaltender politischer Druck nötig, die Tür zu öffnen. Und: Die beiden großen christlichen Kirchen bzw. ihre Sozialkonzerne nehmen dabei völlig unterschiedliche Entwicklungen.

Den einführenden Vortrag hielt Corinna Gekeler. Die Autorin des Buches „Loyal dienen“ steckte den Rahmen, in dem die Diskussion dann verlaufen sollte, ab. Sie riss kurz einige Fälle an, um zu verdeutlichen, wie weit die „Loyalitätsobliegenheiten“ in Arbeitsalltag und Privatleben der Beschäftigten hineinwirken. Dann erläuterte sie die Rechtslage, insbesondere die Trendwende seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im „Fall Schüth“. In ihren Ausführungen über die Möglichkeiten, politisch eine Veränderung herbeizuführen, ging sie vor allem auf die Positionen der Grünen ein. Während sie die Passage zum Kirchlichen Arbeitsrecht im Bundestagswahlprogramm begrüßte, kritisierte sie den von Volker Beck im Mai eingereichten Gesetzentwurf zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes als „halbherzig“.

Hochkarätig besetztes Podium

Anschließend positionierten sich die weiteren Diskussionsteilnehmer in kürzeren Eingangsstatement: Günter Däggelmann (Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen der Caritas), Manfred Bruns (Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland) und Klaus-Peter Spohn-Logé, der in einer Doppelfunktion als Angestellter beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, einer Einrichtung der evangelischen Landeskirchen, und aktives Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di anwesend war.

Von links nach rechts: Corinna Gekeler, Günter Däggelmann, Mariana Pinzón Becht, Manfred Bruns, Klaus-Peter Spohn-Logé / Foto: Vera Muth

Günter Däggelmann erklärte in seinem Co-Referat, was der dritte Weg aus kirchlicher Sicht ist und woraus sich die Loyalitätspflichten ableiten. Dabei entstand der Eindruck, als stehe für die katholische Kirche nur zur Alternative, weiterzumachen wie bisher oder sich aus dem Bereich sozialer Dienstleistungen weitgehend zurückzuziehen (eine Variante, die von konservativen Bischöfen immer mal wieder ins Spiel gebracht wird). Ein dritter Weg, der die Fortführung katholischer Sozialeinrichtungen unter Berücksichtigung der Menschenrechte ihrer Beschäftigten umfasst, scheint nicht in Sicht. „Die katholische Kirche ist strikt hierarchisch gegliedert“, meinte Däggelmann, Rom werde sich nicht vorschreiben lassen, was unter die Loyalitätspflichten falle. So sei eine Differenzierung der Arbeitsplätze nach „verkündigungsnah“ und „verkündigungsfern“ nicht zu erwarten. In dieser Frage Stellung beziehen wollte Däggelmann übrigens nicht. Von Diskussionsleiterin Mariana Pinzón Becht, eine der Sprecherinnen der Säkularen Grünen, konkret darauf angesprochen, antwortete er, dass sich der Bundesvorsitzende der Mitarbeitervertretungen dazu nicht äußern werde.

Unterschiede zwischen evangelischer und katholischer Kirche

Klaus-Peter Spohn-Logé zeichnete für die evangelische Kirche ein völlig anderes Bild. Auf der einen Seite reichen die Loyalitätspflichten nicht so weit; offen gelebte Homosexualität ist heute ebensowenig Kündigungsgrund wie eine erneute Heirat nach einer Scheidung. Auf der anderen Seite wird im Bereich der Diakonie der Dritte Weg immer stärker ausgehöhlt. Viele Betriebe verhielten sich wie Konzerne, brächten dieselben Kostensenkenden Instrumenten zum Einsatz (von Leiharbeit bis Outsourcing) und hätten sich von der Orientierung an den Lohnabschlüssen des Öffentlichen Dienstes verabschiedet – von „Dienstgemeinschaft“ könne keine Rede sein. Im katholischen Bereich sei diese Entwicklung viel weniger stark ausgeprägt, so dass die gewerkschaftlichen Kämpfe fast ausschließlich in Einrichtungen der Diakonie stattfinden. Die Sonderstellung der kirchlichen Träger nannte Spohn-Logé nicht mehr zeitgemäß. Er geht davon aus, dass im evangelischen Bereich in absehbarer Zeit Tarifverträge ausgehandelt werden.

Manfred Bruns berichtete als Vertreter des LSVD aus der Praxis: Er hat in den letzten Jahren zahlreiche Schwulen und Lesben beraten und bei ihren Verhandlungen mit katholischen Trägern oder Versicherungskassen unterstützt. Er beklagte, dass es meist zu außergerichtlichen Einigungen komme, die mit beiderseitigem Stillschweigen verknüpft seien. So sei es nicht möglich, die skandalösen Vorgänge einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Andererseits rate auch er meist zu diesem Weg, da er für die Betroffenen das geringere Risiko mit sich bringe. Wie „defensiv“ Bruns eingestellt ist, zeigte sich an seiner Empfehlung, nicht aus der Kirche auszutreten, wenn der Beruf im sozialen Bereich gewählt werde.

Lebhafte Diskussion

Die anschließende Diskussion verlief lebhaft, wurde aber von Mariana Pinzón Becht souverän auf den jeweiligen Punkt gebracht. Vor allem Günter Däggelmann sah sich kritischen Fragen aus dem Publikum ausgesetzt. Und auch vom Podium erntete er Widerspruch; so konterte Corinna Gekeler seinen Hinweis auf die Weltkirche als Ursache für die strenge Handhabung der Loyalitätspflichten mit dem Beispiel Österreich, denn unser Nachbarland kennt diese Regelungen nicht. In anderen Fragen konnte Däggelmann durchaus punkten.

Gefragt, welchen Vorteil der Dritte Weg für die Beschäftigten denn habe, erklärte er, dass die katholischen Mitarbeitervertretungen relativ gesehen mehr Arbeitnehmern eine Stimme geben als in jeder anderen Branche die Betriebsräte. Allerdings folgte umgehend der Einwand eines Zuhörers, dass die Mitarbeitervertretungen die Mitarbeiter nur unzureichend vertreten könnten, weil ihnen zum Beispiel das Streikrecht fehle und sie als „Trittbrettfahrer“ auf die von ver.di erkämpften Tarifabschlüsse angewiesen seien. Letzterem widersprach Däggelmann auch nicht.

Nach drei Stunden Diskussion waren die Fronten einigermaßen klar abgesteckt. Im Bereich der evangelischen Kirche ist Bewegung in die Sache geraten; diese erstreckt sich momentan noch vorrangig auf das kollektive Arbeitsrecht, aber eine der von Klaus-Peter Spohn-Logé vorgetragenen gewerkschaftlichen Forderungen lautete, die Loyalitätspflichten auf verkündigungsnahe Tätigkeiten zu beschränken. Im katholischen Bereich hingegen ist eine Veränderung allenfalls in der Frage der Behandlung wiederverheirateter Geschiedener denkbar. Ansonsten bestehen Bischöfe und Rom auf ihrem vermeintlichen Recht, andere zu diskriminieren. Die gesellschaftlichen Kräfte, dieser Anmaßung entgegenzutreten, formieren sich gerade.

Gunnar Schedel