Konfessionsfreie fragen Parteien

Wahlprüfsteine Österreich

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Österreich

Nicht nur in Deutschland wird ein neues Parlament gewählt, sondern auch in Österreich. Am 15. Oktober – drei Wochen nach der deutschen Bundestagswahl - findet die österreichische Nationalratswahl statt. Auch in Österreich haben Interessenverbände von Konfessionsfreien Wahlprüfsteine an die zur Wahl stehenden Parteien verschickt.

Die Vertreter der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) in Österreich versandte folgende Fragen an alle wahlwerbenden Parteien und ihre Spitzenkandidaten:

1. Weltanschauliche Neutralität des Staates

Der Staat ist die Heimat aller Bürger und hat gleichen Abstand zu allen weltanschaulichen Bekenntnissen zu wahren. Wie stehen Sie zu expliziten Gottesbezügen in Verfassungen und Schulgesetzen? Wie stehen Sie zu religiösen Symbolen in Gerichtssälen, Amtsstuben und Schulräumen?

2. Rechtlicher Status weltanschaulicher Organisationen

Der Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) setzt die Gewähr der Dauer voraus und bietet weitreichende Binnenautonomie im Rahmen eines historisch gewachsenen Privilegienbündels. Halten Sie den K.d.ö.R.-Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften in der weltanschaulich pluralen, individualisierten Gesellschaft für zukunftsfähig? Welche Schritte zu einer weitergehenden Trennung von Staat und Kirche, von öffentlicher und religiöser Sphäre streben Sie an? Wie stehen Sie zu Konkordaten und zu Staatsverträgen mit religiösen, aber auch mit nichtreligiösen Gemeinschaften?

3. Weltanschauliche Trägervielfalt

Kinderbetreuungs- und Sozialeinrichtungen, Senioren- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser werden im Sinne des Subsidiaritätsprinzips oft in freier Trägerschaft betrieben. Viele dieser Einrichtungen sind kirchlich geprägt, werden aber weit überwiegend öffentlich finanziert. Sehen Sie die Notwendigkeit, in allen Teilen Österreichs nichtreligiöse Trägerschaften sicherzustellen bzw. zu fördern, die dem konfessionsfreien Anteil der Bevölkerung entsprechen? Wie begegnen Sie dem Wunsch nach einem ausreichenden Angebot an weltanschaulich neutraler Früherziehung und Betreuung? Wie stehen Sie zu Religionserziehung in öffentlichen Kindergärten?

4. Wertebildende Schulfächer

Die weltanschaulichen Wertefächer sind unterschiedlich und durch Schulexperimente sehr komplex geregelt. Die meisten Regelungen schreibt Religionsunterricht an öffentlichen Schulen als ordentliches Lehrfach fest. Wie begegnen Sie dem Wunsch nach einem integrativen Werte- oder Ethikunterricht, der die Schülerschaft nicht nach Konfessionen trennt? Wie sehen Sie die Aussichten für eine Umwandlung des konfessionellen Religionsunterrichts in einen übergreifenden Religionskundeunterricht? Wie stehen Sie zu weltanschaulichen Schulfächern in säkularer Trägerschaft, etwa Humanistische Lebenskunde oder Freireligiösen Unterricht? Sollte der Staat im Rahmen des Bildungssystems nicht viel mehr unseren Kindern bis zu Religionsmündigkeit Werkzeuge in die Hand geben um ihnen fundierte Entscheidungsgrundlage zum eigenem Weltbild zu ermöglichen sowie durch das Wissen Verständnis für Andere zu fördern anstatt ideologische Isolation zu unterstützen?

5. Öffentliche Trauer- und Gedenkkultur

Die Kirchen sind bewährte Partner eines kulturspezifischen Ritenangebots. Die Gesellschaft ist jedoch religiös plural und zu einem wachsenden Anteil nichtreligiös geworden. Setzen Sie sich dafür ein, dass öffentliche Trauer- und Gedenkveranstaltungen entweder weltanschauungsübergreifend (z.B. durch mehrere gleichberechtige Sprecher bzw. Gestaltungselemente) oder aber strikt weltanschauungsneutral durchgeführt werden?

6. Pluralitätssensible Medienpolitik

Bei den Sendeinhalten sind kirchennahe Positionen und in den Medienräten sind kirchliche Vertreter immer noch weit stärker repräsentiert, als es der schleichenden Auflösung ihres früheren Wertemonopols entspricht. Was werden Sie unternehmen, um die Repräsentanz säkularer Positionen und säkularer Kräfte in den öffentlichen Medien zu stärken?

7. Strafrechtliche Regelungen

Trotz eines weitreichenden gesellschaftlichen Grundkonsenses über die Regeln des Zusammenlebens in der pluralen Gesellschaft sind einige Strafrechtsnormen älteren wie neueren Datums noch von weltanschaulichen Vorurteilen bzw. Vorverurteilungen geprägt. Werden Sie sich dafür einsetzen, den §188 StGB abzuschaffen, weil sein Schutzzweck durch andere bestehende Normen hinreichend erreicht wird? Werden Sie auf eine Abschaffung/Abänderung des §77 StGB hinarbeiten, der die höchst private Autonomie am Lebensende ungebührlich einschränkt und  Freitodbegleitung kriminalisiert?

8. Evidenzbasierte Entscheidungen

Verschiedene historisch gewachsene Positionen und Ideologien dominieren politische Entscheidungen. Wären Sie bereit Ihre Entscheidungen auf Anfrage mit evidenzbasierten Fakten und überprüfbaren zu erwartenden Auswirkungen zu begründen/erklären?

Auch die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) versandte Wahlprüfsteine an die zur Wahl stehenden österreichischen Parteien. Während die Giordano Bruno Stiftung Wert auf die weltanschauliche Neutralität des Staates legt und für eine Gleichbehandlung religiöser wie nicht-religiöser Weltanschauungsgemeinschaften durch die Abschaffung der Privilegien für Religionsgemeinschaften eintritt, strebt die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich eine Gleichbehandlung von Religiösen und Nicht-Religiösen an, indem sie für sich dieselben Privilegien beansprucht, die auch Religionsgemeinschaften zugestanden werden.

Die Wahlprüfsteine der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) für die Nationalratswahl 2017 lauten wie folgt:

1. Der Bevölkerungsanteil der Konfessionslosen und der AtheistInnen steigt und die Gesellschaft wird immer vielfältiger. Wie wünschen Sie sich – auch im Sinne eines europäischen Integrationsprozesses – den Umgang von Politik und Gesellschaft mit weltanschaulichen, religiösen und anderen Minoritäten?

 2. Die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) strebt die Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft an. Werden Sie es befürworten, dass dieses Verfahren von Seiten des dafür zuständigen Kultusamts mit einem hohen Ausmaß an behördlicher Transparenz durchgeführt wird?

3. Würden Sie in staatlichen und öffentlichen Stellen, in denen bereits andere Religionsgemeinschaften seelsorgerisch tätig sind (z.B. im Bundesheer, bei der Polizei, in öffentlichen Krankenhäusern, …), auch eine Atheistische/Humanistische Seelsorge zulassen, sofern die Kriterien dafür erfüllt sind?

4. Wie denken Sie über den Wunsch nach einem einheitlichen staatlichen Religionsrecht für alle Religionsgemeinschaften nach möglichst gut begründeten, allgemeinen und einheitlichen Kriterien?

5. Wie denken Sie über die derzeitigen Sonderstellungen von Religionsgemeinschaften im staatlichen Recht, etwa im Kindergarten- und Schulrecht?

6. Wie denken Sie über den Wunsch nach einer Beendigung der Ungleichbehandlung von religiösen und nichtreligiösen Weltanschauungen im staatlichen Recht, etwa im Hinblick auf die Ungleichbehandlung von konfessionellen und nichtkonfessionellen Privatschulen?

7. Vervollständigen Sie bitte diesen Satz: Die [Namen der wahlwerbenden Partei/Liste einsetzen] ist eine gute Wahl für AtheistInnen und säkulare HumanistInnen, weil …

Der hpd wird über die Beantwortung der Wahlprüfsteine in Österreich berichten.