Österreichische Atheisten wollen Religionsstatus beantragen

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Was bedeutet es, Mensch zu sein?

Die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) hat angekündigt, in Kürze einen Antrag auf Anerkennung als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft beim österreichischen Kultusamt einzureichen.

Für junge Religionsgemeinschaften ist die Zahl 300 eine magische. Jedenfalls in Österreich. Das hat mit dem dort üblichen Verfahren der Anerkennung von Religionsgemeinschaften zu tun.

Der österreichische Staat unterscheidet prinzipiell zwischen "gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften" und "staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften". Gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften besitzen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und müssen unter anderem über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren im Inland als Bekenntnisgemeinschaft existieren sowie eine Mitgliederzahl von mindestens 0,2 Prozent der österreichischen Bevölkerung nachweisen können. Eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft ist keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, besitzt jedoch Rechtspersönlichkeit. Vorraussetzung für die Anerkennung ist unter anderem, dass der Bekenntnisgemeinschaft mindestens 300 Personen mit Wohnsitz in Österreich angehören. Der Status einer eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft kann bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auf Antrag beim österreichischen Kultusamt erlangt werden. 

Nachdem die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) die magische 300er-Grenze bei ihren Mitgliedern jüngst überschritten hat, hat sie nun angekündigt, einen entsprechenden Antrag beim Kultusamt noch in diesem Jahr einzureichen.

Die ARG versteht sich keineswegs als Satireprojekt, wie der absurd wirkende Name "Atheistische Religionsgesellschaft" vielleicht auf den ersten Blick vermuten lassen mag. Auf ihrer Webseite erklärt die ARG das Konzept ihrer Vereinigung und verneint einen grundsätzlichen Widerspruch von Religion und Atheismus:

"Auf den ersten Blick erscheint es vielleicht absurd, Atheismus und Religion zusammen zu bringen. Beide scheinen einander zu widersprechen. Bei genauerer Betrachtung ist dieser scheinbare Widerspruch aber gar nicht gegeben.

Wir sind Atheistinnen und Atheisten, weil wir glauben, dass Götter als physische Entitäten nicht existieren. Es gibt sie aber dennoch: Götter existieren als kulturelle Entitäten. Sie sind sozusagen Weltanschauungskomplexe, denen viele Menschen Macht in unserem Leben einräumen. Wir beschäftigen uns interessiert mit ihnen als Phänomenen der Gesellschaft und der menschlichen Kultur. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir glauben nicht, dass Götter Menschen erschaffen haben, sondern dass Menschen Götter erschaffen haben (und erschaffen).

Wir betrachten uns aber auch als Religionsgemeinschaft. In unserem Verständnis ist Religion eine Art gelebter Philosophie. Sie liefert unter anderem ein Set von Anschauungen und vor allem Praxen, die sich damit befassen, was es bedeutet, Mensch zu sein und als Mensch in der Welt zu leben. Sie beschäftigt sich mit Aspekten des menschlichen Lebens, die über das normale Alltagsleben hinausgehen. Jede Religion liefert Weltbilder, an denen sich Menschen orientieren können, sowie Möglichkeiten, um inne zu halten, über diese Themen nachzudenken (z. B. in Form von Feiern und Ritualen)."

Ob das Kultusamt dem Antrag der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich folgt, ist allerdings selbst nach Erfüllung der 300er-Mitgliedergrenze nicht sicher. 2014 wurde beispielsweise ein entsprechender Antrag der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Österreich vom Kultusamt abgewiesen. Auch das sich anschließende mehrjährige Gerichtsverfahren konnten die österreichischen Pastafari 2018 in letzter Instanz nicht für sich entscheiden. Obwohl die formalen gesetzlichen Kriterien von der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Österreich erfüllt wurden und die Gemeinschaft mit knapp 700 Mitgliedern weit mehr als die erforderlichen 300 Mitglieder zählte, begründete das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil damit, dass es der Kirche "an einer hinreichend organisierten Gemeinschaft, in deren Rahmen mindestens 300 Personen mit Wohnsitz in Österreich am religiösen Leben der Bekenntnisgemeinschaft teilhaben, d. h. zumindest an den gemeinsamen Gottesdiensten teilnehmen und sich der Vermittlung der religiösen Pflichten der Mitglieder unterziehen oder unterzogen haben" fehle.

Wie das Kultusamt und eventuell nachfolgende juristische Instanzen den Antrag der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich bescheiden werden, bleibt daher spannend. Denn im noch immer stark christlich geprägten Österreich dürfte der Sinn und Zweck einer Atheistischen Religionsgesellschaft nicht unbedingt jedem Amtsträger unmittelbar einleuchten oder geheuer sein.