Wider den staatlich verordneten Ernst

Wo ist was los an Karfreitag?

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Nach dem Ende der Pandemie-Auflagen laden in diesem Jahr wieder zahlreiche säkulare Veranstalter alle, die nicht den Foltertod einer mythologischen Figur betrauern wollen, zu bundesverfassungsgerichtlich erlaubten Vergnügungsveranstaltungen ein. Von Bochum bis München ist allerhand geboten, von der Filmvorführung bis zur Tanzdemo. Eine Zusammenstellung ohne Garantie auf Vollständigkeit.

Bochum

Mit Corona-Unterbrechung bereits seit zehn Jahren zeigt die Initiative Religionsfrei im Revier aus Protest gegen die klerikale Bevormundung durch das Feiertagsgesetz Nordrhein-Westfalens am Karfreitag den Film "Das Leben des Brian". Auch in diesem Jahr, ab 21 Uhr im riff Bochum – die Bermudahalle. Das Gesetz verbietet am Karfreitag "alle der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen". Darunter fällt auch die Aufführung von mehr als 700 Filmen, die wie "Das Leben des Brian" auf dem Index stehen. Zuvor (Beginn: 20 Uhr) präsentiert die Kabarettistin Waltraud Ehlert Auszüge aus ihrem neuen Programm "Ich glaub nich...". Das Vorprogramm beginnt bereits um 19 Uhr. "Es dürfte die einzige legale Unterhaltungsveranstaltung am Karfreitag in NRW sein", heißt es von der Initiative.

Eintritt frei, weitere Infos hier.

Köln

Nicht nur sind am Karfreitag aus Rücksicht auf die Bräuche der christlichen Kirchen alle "der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen" gesetzlich verboten, das Land Nordrhein-Westfalen geht sogar noch weiter und untersagt auch private Feiern im Freien. In der Domstadt protestiert der Landesverband NRW der Partei der Humanisten deshalb von 17 bis 20 Uhr gegen diese religiöse Bevormundung. Dabei bedient sie sich provokativ genau der Mittel, die den Kirchenvertretern ein Dorn im Auge sind: Eine Gruppe von singenden und tanzenden Demonstranten zieht mehrere Stunden durch die Kölner Innenstadt, aus dem Führungsfahrzeug dröhnt elektronische Musik, unterstützt von bunten Spezialeffekten. Umfangreiches Informationsmaterial wird an die Passanten verteilt. Für das leibliche Wohl der Demonstranten, Sympathisanten und Helfer stellt die Partei kostenlos Getränke und Snacks zur Verfügung.

Die Tanzdemo beginnt und endet mit Kundgebungen vor dem Dom auf dem Bahnhofsvorplatz. Weitere Infos hier.

Heidelberg

Heidenspaß gibt es auch bei der gbs Rhein-Neckar, ab 19 Uhr im Romanischen Keller. Ab 19:30 Uhr liest Dirk Hülstrunk aus Tim Minchin's "Storm" in einer "Sound Poetry Performance". Danach ist Adrian Gillmann im Gespräch mit Philipp Möller, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Konfessionsfreien. Durch den Abend begleitet Sören Walter mit seiner Band "Bad liver and a broken heart".

Eintritt frei, weitere Infos hier.

Karlsruhe

Die Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) in Karlsruhe lädt ab 14 Uhr auf dem Patz der Grundrechte nach drei Jahren Zwangspause wieder zur Tanzdemo für einen weltanschaulich neutralen Staat und gegen religiös motivierte Gesetze – genannt "Eiertanz zum Hasenfest".

Weitere Infos und ein Video von der Tanzdemo 2019 hier.

Stuttgart

Dort beginnt der "Heidenspaß am Karfreitag" ab 20 Uhr (Einlass: 19:30 Uhr) im LKA Longhorn mit einer Einführung zu Feiertagsgesetz und Karfreitag, Karfreitags-Quiz und einer Vorstellung der gbs. Anschließend folgt das "Wort zum Karfreitag mit humanistischem Tanzsegen", danach wird bis Mitternacht getanzt. Die Veranstaltung wendet sich gegen das Feiertagsgesetz, mit dem Baden-Württemberg seine Bürger etwa durch ein Tanzverbot dazu zwingen will, den Karfreitag als "stillen Feiertag" zu begehen. Auch an anderen "stillen Feiertagen" wie dem Buß- und Bettag und Allerheiligen sind dort etwa Sport- und Tanzveranstaltungen verboten, bei Zuwiderhandlungen drohen hohe Bußgelder. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind Ausnahmen möglich. Es stelle sich jedoch die Frage, "warum die christliche Feierpraxis in einem weltanschaulich neutralen Staat als Standard gilt, von der man sich per Ausnahmegenehmigung befreien lassen muss", so die gbs Stuttgart in einer Pressemitteilung. (Der Veranstaltung ging eine mehrjährige rechtliche Auseinandersetzung voraus, mehr dazu lesen Sie hier.)

Eintritt: 8 Euro inkl. 1 Euro Verzehr, weitere Infos hier.

Würzburg

Dank einer Ausnahmegenehmigung kann auch die gbs Unterfranken den Film "Das Leben des Brian" zeigen. Ab 20:15 Uhr (Einlass ab 19:30 Uhr) in der Posthalle Würzburg. Im Anschluss an die Filmvorführung findet eine an diesem Tag ebenso "verbotene" und durch Sondergenehmigung erlaubte Party mit DJ Ole und den Hits der 80er, 90er und 00er Jahre statt.

Eintritt: 5 Euro, weitere Infos hier.

München

Die bayerische Hauptstadt trumpft in diesem Jahr richtig auf: Gleich sieben Veranstaltungen und eine Demo wird es dort geben. Trotz Musik- und Tanzverbots können die Münchner*innen an Karfreitag in Clubs und Bars mit dem Bund für Geistesfreiheit (bfg) München feiern. An Karfreitag um 0 Uhr, also in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag, geht es los mit einem "Heiden-Rave" in der Nachtgalerie mit vielen DJ-Kollektiven, ebenfalls um 0 Uhr beginnt die "Heidenspaß-Party" in der The Keg Bar mit Karaoke. Am Karfreitagabend geht es dann weiter: Im Import Export wird unter dem Motto "Jazztify – Gegen Tanzverbot und Stille Tage" getanzt und gefeiert. Mit dabei das Rhabdomantic Orchestra und DJ Booty Carrell. "UKNOWY – Gegen Tanzverbot und Stille Tage" heißt es am Karfreitagabend auch im Unter Deck, gespielt wird Elektro, Hip Hop, House und Techno. In der Karaoke-Bar Yokocho wird ab 21 Uhr Sängerin Vanja zusammen mit dem Publikum singen. Am Abend sind die Nachtgalerie mit dem "Heiden-Rave" und den DJ-Kollektiven sowie die The Keg Bar mit der Heidenspaß-Party inklusive Singer/Songwriter Ryan Inglis und weltanschaulichem Pub-Quiz auch wieder dabei.

Bereits am heutigen Gründonnerstag findet um 16 Uhr eine Demo "Für die Abschaffung von Tanzverboten an Stillen Tagen" des RaveStreamRadios auf der Theresienwiese statt. Danach zieht der Demozug durch München und endet um 22 Uhr in der Nachtgalerie (siehe oben).

Weitere Infos hier.

Seit 2016 erlaubt

Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 darf trotz Musik- und Tanzverbots an Karfreitag gefeiert werden. Die Richter*innen in Karlsruhe hatten am 7. Oktober 2016 entschieden, dass Artikel 5 des Bayerischen Feiertagsgesetzes mit der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar ist. Damit folgte es einer Verfassungsbeschwerde des bfg München, der sich nach dem Verbot seiner "Heidenspaß statt Höllenqual"-Party im Jahr 2007 durch alle Instanzen geklagt hatte. Seitdem sind an Karfreitag Ausnahmen möglich, wenn Feste und Feiern "Ausdruck einer klaren weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber dem Christentum" sind.

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