Gott entsteht im Hirn

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Religion und Glaube sind auf der emotionalen Seite angesiedelt. Sie sollen starke Gefühle erzeugen, im besten Fall Euphorie. Katalisatoren starker Emotionen sind Rituale. In Asien und Afrika peitschen sich Mitglieder mancher Glaubensgemeinschaften förmlich in eine Ekstase. Ihre extremen Emotionen interpretieren sie als besondere Huldigung Gottes. Oder als tiefe Gotteserfahrung.

Zuständig für religiöse Gefühle ist die rechte Hirnhälfte. Sie erzeugt auch die starke Sehnsucht nach einem Gott oder einem göttlichen Wesen.

Versuchen wir mit der linken Hirnhälfte, die zuständig ist für die rationalen und abstrakten Belange, Gott zu erfassen, wird es kompliziert. Denn von dort tauchen Fragen nach Gott, einem Leben nach dem Tod und der Erlösung auf, die sich nur schwer beantworten lassen. Denn es gibt keine logischen Erklärungen für religiöse Phänomene.

Dieses Dilemma haben schon unsere Urahnen erkannt. Sie schrieben in die Bibel, selig seien die Armen im Geiste. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich den Reichen im Geiste Gott entzieht.

Alles nur im Kopf?

Könnte es also sein, dass wir gar keinen eigenen Willen zum Glauben haben? Dass die Strukturen unseres Hirns dafür verantwortlich sind, ob wir uns Gott vorstellen können oder nicht?

Sind vielleicht deshalb Frauen im Schnitt gläubiger als Männer, weil bei ihnen die rechte Hirnhälfte stärker ausgebildet ist oder eine dominantere Rolle spielt? Können Skeptiker, die die Welt kognitiv erfassen wollen oder müssen, gar nichts dafür, dass sie keine Gotteserfahrungen machen können? Entsteht Gott vielleicht im Hirn?

Wenn dem so wäre, würden die religiösen Konzepte und Dogmen in sich zusammenfallen. Dann wäre es eine fundamentale Ungerechtigkeit, wenn Gott am Jüngsten Tag nur jene Menschen erretten würde, die fleißig die Gottesdienste besucht, gebetet, ihn verehrt und an ihn geglaubt haben.

Das Hilfskonstrukt der Seele

Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte das Hilfskonstrukt der Seele sein. Siedelt man religiöse Empfindungen dort an und nicht im Hirn, geht die Rechnung der Religionen und Gläubigen wieder auf.

Doch dann stellt sich die Frage, wie die Seele funktioniert. Ist sie losgekoppelt vom Hirn, ist sie neurologisch unabhängig, getrennt vom Körper? Wir wissen es nicht. Niemand kennt die Seele. Sie lässt sich nicht lokalisieren.

Deshalb haben Menschen, bei denen die linke Hirnhälfte besonders aktiv ist, ähnlich kritische Fragen zur Seele wie zu Gott. Beide lassen sich nicht definieren, rational begreifen oder kognitiv erklären. Wohl deshalb sind die exakten Wissenschaften der größte Feind der Religionen. Denn für sie ist wieder die linke Hirnhälfte zuständig.

Womit wir bei der finalen Frage angelangt sind: Wieso hat Gott – falls es ihn gibt – uns mit einer linken Hirnhälfte ausgestattet? Denn damit hätte er ein Instrument geschaffen, um sich selbst abzuschaffen.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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