Humanist wurde Dritter

SCHWERIN-PINNOW / BRAUNSCHWEIG / GROSSWALTERSDORF. Der moderne Humanismus in seiner organisierten Gestalt

macht in Deutschland Fortschritte, aber nicht in Galoppsprüngen, sondern eher in kontinuierlichem Trab. Parforceritten steht er sowieso absolut ablehnend gegenüber. Neuerdings entdeckt er – nach den Schimpansen als Krönung der Evolution – zumindest die Pferde, die bekanntlich, nach den Hunden und Katzen, dem Menschen am Nächsten stehen, jedenfalls kulturell gesehen.

Die Hinwendung zum Gaul hat mehrere Gründe. Da ist erstens die Erinnerung an Kurt von Tepper-Laski, den berühmten Springreiter und Freidenker. Zweitens – so wird berichtet – hat ein Landesvorsitzender des HVD für sich das Reiten entdeckt (was herauskam, weil er bös vom Pferd fiel). Drittens haben Humanistinnen und Humanisten in Sachsen-Anhalts Ziemendorf auf einem ehemaligen NVA-Gelände ein „Pferde- und Freizeitparadies“ und ein „Treppenhaus der Menschenrechte“ eröffnet.

Durch diese Ereignisse sensibilisiert sprang der Redaktion des hpd am 12. April folgende Zeitungsmeldung über ein Springreiten in Braunschweig in der „Schweriner Volkszeitung“ (Artikel gegen Entgeld zu lesen) ins Auge: Jörn Scholz (Pinnow) wurde mit dem Trakehner Humanist Dritter“ und zwar auf der „17. Nationalen Springprüfung Kl. M/B mit Stechen“. Da in Mecklenburg-Vorpommern gerade ein Humanistischer Verband gegründet worden war und in der organisierten säkularen Szene eine Debatte über Humanismus als / und „dritte Konfession“ stattfindet, lag die Frage nahe: Hängt nicht alles mit allem irgendwie und mit Humanismus besonders zusammen? Ist der dritte Platz symbolisch zu nehmen? Wie kommt jemand auf die Idee, sein Pferd (überhaupt ein Tier) „Humanist“ zu nennen? Gibt es eine Stute mit dem Namen „Humanistin“ oder gar „Atheistin“? Fragen über Fragen.

Kaum auf das Thema aufgesprungen, schon im tiefen Netz auf einen Ähnliches fragenden Dr. H. V. J. Kolbe gestoßen. Dieser Herr sucht mit Bezug auf Zügel, Zaumzeug, Sattel etc. nach humanistischen Beweggründen eines Herrn Zügelmacher, einstmals Inspektor des Trakehnen-Gestüts, der seinen Namen Zügelmacher in Brytos ändern lassen wollte.

Erkenntnis: Humanistisches und Horsewissenschaftliches stehen sich nicht fremd gegenüber – im Gegenteil. Es findet sich ein bedeutender Mensch, Mitbegründer der Naturheilkunde der eine „Logik in der Reitkunst“ geschrieben hat, in deren Rezension es heißt, der Verfasser sei nicht nur Pferdefreund, sondern auch ein universeller Humanist gewesen, Anlage 1. Es muss also etwas dran sein am „Humanist“.

Unser dritter Sieger, unser „Humanist“, ist ein Turnierpferd (Springreiten) der Rasse Trakehner. Wir wissen, spätestens seit dem Fernsehereignis „Vertreibung“, dass die ostpreußischen Elche und die Trakehner-Pferde vor allem politisch aufgeladene Symbole sind und dass, wer sich in die Debatte über Trakehner begibt, beim „Bund der Vertriebenen“ nicht vorbei kann. Doch zeigt sich, bei näherer Einsicht in die ideologisch belastete Trakehnerforschung, dass sich in ganz Europa viele schöne Hottepferdchen dieser Rasse (Link baut sich schwer auf) finden lassen, die dann auch noch allesamt alle „Humanist“ heißen und fleißig hin- und hergehandelt wurden von England nach Schweden und zurück. Das geht vor dem ersten Weltkrieg los und die Zählung reicht zumindest bis „Humanist4“ (Link baut sich schwer auf), der in den 1950ern noch gelebt hat.

Unser „Humanist“ hat also viele Vorläufer gleichen Namens. Fragen wir den Besitzer unseres dritten Siegers, der sich bei einem anderen Springreiten im vergangenen Jahr, den „Löwen Classics“ in Braunschweig, einen viertägigen Lehrgang beim Mannschafts-Olympiasieger Lars Nieberg sichern konnte. Er gehört zum „RV Am Petersberg in Pinnow (MV)“

 

hpd: Herr Scholz, wie sind Sie denn auf diesen Namen gekommen?

Scholz: Die Sache ist gar nicht kompliziert, denn ich kaufte „Humanist“ bereits mit diesem Namen und habe mir auch keine weiteren Gedanken darüber gemacht. Es ist mir auch nicht bekannt, dass es bereits mehrere Pferde gegeben hat, die so hießen.

hpd: „Humanist“ ist ein Trakehner-Hengst. Tiere dieser ältesten deutschen Pferderasse werden im Allgemeinen nicht zum Springreiten eingesetzt. Wie kam das denn?

Scholz: Ich hatte immer ziemlich junge Pferde und wollte unbedingt mal ein erfahrenes Pferd reiten. So wurde ich dann über einen Vereinskollegen auf die Trakehner aufmerksam. Anfangs war ich auch gar nicht begeistert. Meine Frau hat mir aber gesagt, das Pferd und ich würden eine tolle Einheit bilden – sie hat Recht behalten. Ich bin sehr glücklich mit „Humanist“.

hpd: Bekanntlich liegt ja auch das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde. Wann kamen Sie denn auf’s Pferd und besonders auf „Humanist“, wie alt ist er und wo wurde er geboren?

Scholz: Ich reite seit meinem 12. Lebensjahr, also seit 20 Jahren. „Humanist“ habe ich im Oktober 2004 im sächsischen Großwaltersdorf gekauft. Das war mal eine LPG mit traditionellem Zuchtbetrieb. „Humanist“ wurde dort geboren und ist jetzt 16 Jahre alt.

hpd: Reiten Sie noch große Turniere?

Scholz: Mit „Humanist“ nicht, da ist er schon ein bisschen alt. Beim diesjährigen "Volkswagen-Cup", das ist eine Amateurserie, waren wir wohl an 20. Stelle. Ich wollte jedoch wenigstens eine Schleife, deshalb habe ich ihn zum Osterturnier – ist nur ein kleines Springturnier, mit aufgeladen – und es hat ja auch zum dritten Platz gereicht.


hpd
: Herr Scholz, Sie sind Inhaber einer freien Autowerkstatt in Crivitz. Warum haben sie Ihr Hobby nicht zum Beruf gemacht?

Scholz: So viel verdient man nun auch nicht mit dem Reiten. Wir haben einen Spruch: „Früher hatten wir Zeit und Geld – heute haben wir Pferde“.

hpd: Das ist ein gutes Schlusswort. Besten Dank für die Beantwortung meiner sehr laienhaften Fragen.

 

Jetzt wissen wir dies und das über die Pferderasse Trakehner, die es in 2007 nun schon 275 Jahre gibt. Glückwunsch, liebe Züchterinnen und Züchter. "Bis heute werden die Trakehner als einzige Reitpferderasse nach den Prinzipien der Reinzucht mit hohen genetischen Anteilen des englischen und arabischen Vollblutes, des Shagya- und des Anglo-Arabers ... gezüchtet."

Um zu erfahren, wie „Humanist“ zu seinem Namen kam, begab sich der hpd telefonisch nach Großwaltersdorf im sächsischen Erzgebirge. Hier blickt man inzwischen auf 35 Jahre erfolgreiche Trakehnerzucht der Familie Richter zurück, die sich nach der „Wende“ aus der ehemaligen LPG „Vorwärts“ ausgliederte, die bis dahin den Regierungsauftrag hatte, der DDR diese Pferderasse züchterisch zu erhalten.

Das Rätsel um „Humanist“ wurde endgültig gelöst. Manches ist viel einfacher als man / frau denkt: In der Namensfolge von Trakehnern geht es nach der Mutter – heißt sie Harfe, Herberta oder Henrike – der Sohn braucht einen Namen, der mit „H“ beginnt. Irgendjemand hatte dann die glorreiche Idee, das Pferd „Humanist“ zu nennen, wer, ist leider nicht mehr nachvollziehbar. Es gibt zu wenige gute Namen mit „H“, bei sehr vielen Trakehnermüttern mit „H“. Aha.

Wer jetzt richtig Lust auf Trakehner, Reiten und Urlaub hat, dem sei nun der Trakehnerhof im sächsischen Großwaltersdorf empfohlen. Bereits am Ortseingang wird man von Pferden begrüßt. Die „Stute mit Fohlen” auf den schmiedeeisernen Ortseingangssymbolen weisen auf die über 120jährige Tradition der Pferdezucht im Erzgebirgsdorf hin. Selbst die Freiwillige Feuerwehr trakehnert, Anlage 2. – Wir wünschen uns und unserem „Humanist“: Erster werden, einmal.

GG