Argentinien

Geburtsland des Papstes entfernt sich von der katholischen Kirche

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Viele Menschen wenden sich von der traditionellen Religion ab und der Spiritualität zu.

Der katholischen Kirche laufen in den meisten Ländern der Welt die Gläubigen davon. Gründe dafür sind der Umgang der Kirche mit sexualisierter Gewalt durch Priester, aber auch die starre Haltung der Kirche zu Familienplanung, Abtreibung, Sterbehilfe oder LGBTQIA+. Im Geburtsland des Papstes, dem als katholisch bekannten Argentinien, leben mittlerweile knapp 20 Prozent religionsfreie Menschen. Ähnlich sieht es in Argentiniens Nachbarland Uruguay und anderen südamerikanischen Ländern aus.

Vor gerade einmal 15 Jahren, also 2008, bezeichneten sich noch 76,5 Prozent von 2.403 Befragten in Argentinien als katholisch. Durchgeführt worden war die Umfrage von der staatlichen Einrichtung "Consejo Nacional de Investigaciones Científicas y Técnicas" (CONICET), dem nationalen Rat für wissenschaftliche und technologische Forschung. Den Rahmen bildete die erste nationale Erhebung zu Glauben, Einstellungen und Religionen in Argentinien. Der katholischen Mehrheit standen nur 11,3 Prozent Religionsfreie und neun Prozent Evangelikale gegenüber. Die Anzahl der sich als Mormonen, Zeugen Jehovas oder Angehörige anderer Religionen Bezeichnenden erreichte wenig mehr als drei Prozent.

Bereits in der zweiten Befragung durch CONICET im Jahr 2019 hatten sich die Zahlen deutlich verändert: Nur mehr 62,9 Prozent der befragten Personen bezeichneten sich als katholisch. Die meisten vormals Gläubigen gehörten nun zu den 18,9 Prozent Religionsfreien. Jedoch auch die Evangelikalen erhielten Zuwachs und befanden sich im Jahr 2019 bei 15,3 Prozent.

Seit der letzten offiziellen Befragung im Jahr 2019 hat sich der Verlust der Gläubigen weiter erhöht. Der Umgang der katholischen Kirche mit den unzähligen Fällen sexualisierter Gewalt durch Priester hat viele Menschen so sehr schockiert und enttäuscht, dass sie sie verlassen haben. Ebenso erzürnt die mangelnde Trennung von Staat und Kirche sowie die Kirchenfinanzierung die Menschen. Hinzu kommt, dass selbst kirchliche Würdenträger den Umgang der Kirche mit Themen wie Familienplanung und Verhütung, Abtreibung, Sterbehilfe, den Rollen, die Frauen in Kirchenämtern einnehmen, oder auch den Umgang mit Menschen der LGBTQIA+-Gemeinschaft kritisieren. Der Vatikan hat sich in den letzten Dekaden kaum dazu durchringen können, seine Positionen an Lebensrealitäten der heutigen Zeit anzupassen. Eine Haltung, die vormals katholische Gläubige in evangelikale Gemeinden, die offener für den Alltag der Menschen sind, oder die Konfessionsfreiheit abwandern lässt.

Zu beobachten jedoch ist, dass Religionsfreie keineswegs ohne Glauben leben. Ein neues Zuhause bietet ihnen Spiritualität. Musik, Yoga, Reiki und das Hineinschnuppern zum Beispiel in den Buddhismus hilft ihnen, sich mit ihrer Spiritualität zu verbinden. Dies ist auch in anderen Teilen der Amerikas die Antwort auf der Suche nach Glauben: In den USA bezeichnen sich nach einer Gallup-Umfrage, deren Ergebnisse im September diesen Jahres veröffentlicht wurden, bereits 33 Prozent der US-Amerikaner*innen als spirituell. In der Europäischen Union glauben etwa 26 Prozent der Befragten einer Eurobarometer-Befragung an spirituelle Kräfte.

Eine Situation, die gerade Papst Franziskus bestürzen müsste – bietet seine Kirche doch nicht nur in seinem Heimatland Argentinien vielen Menschen kein Zuhause mehr für ihren Glauben. Auch im Nachbarland Uruguay sinkt die Zahl der Gläubigen, ebenso in Brasilien und vielen weiteren Ländern.

Obwohl sich der Papst zu aktuellen Ereignissen wie Kriegen äußert, hat er doch die enttäuscht, die sich bei seinem Amtsantritt im Jahr 2013 große Veränderungen in der katholischen Kirche erhofften.

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