Pfingsten – Die Geisterstunde der Christen

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Die Taube in der Kuppel der Karlskirche Wien

(hpd) Heutzutage ist Pfingsten vor allem ein verlängertes Wochenende, das von vielen Menschen für Kurzreisen ins In- und Ausland genutzt wird. Die Megastaus am Freitag zuvor sind der handfeste Beweis für diese Praxis. Dabei ist Pfingsten im ursprünglichen Sinn ein religiöses Fest der Christen und keine Veranstaltung der auto-, bahn- und flugzeugmobilen Gesellschaft.

Entsprechend Apostelgeschichte 2 ist 50 Tage nach Ostern den Jüngern, die in Jerusalem versammelt waren, der Heilige Geist erschienen. Dass es diese Erscheinung tatsächlich an jenem Tag und überhaupt gegeben hat, ist wie vieles in der christlichen Lehre mehr als fragwürdig. Schon vor den Christen feierten die Juden das Fest der Darbringung der Erstlingsfrüchte im Tempel (2. Mose 23, 16) und das genau 50 Tage nach dem Pessach-Fest. So bot es sich an, das christliche Spektakel auf diesen schon als Feiertag bekannten Termin zu legen. Das Wort Pfingsten leitet sich ab von "Pentekoste", dem griechischen Begriff für "fünfzig" und steht für 50 Tage nach Ostern.
Pfingsten nur geklaut? Man kann getrost davon ausgehen.

Selbst wenn viele Menschen am Wochenende gar nicht zu Hause und nicht Willens sind, am Gottesdienst in ihrer Gemeinde teilzunehmen, geht die religiöse Bedeutung des Pfingstfestes nicht ganz unter. Dafür sorgen wir alle miteinander mit unseren Rundfunkgebühren!

Im WDR–Radio unter dem Programmpunkt „Hör mal - Kirche in WDR 2“ erläuterte am Pfingstsonntag Pfarrer Dr. Bert Gruber die Wirkung von Geistern im Allgemeinen und die Stärkungen durch den „Heiligen Geist“ im Besonderen. Letzterer ist – wen wundert's – eine gute, tüchtige und nützliche Spezi in der Klasse dieser Spukgestalten. Das Symbol für den Heiligen Geist ist übrigens die Taube, die für den nicht religiösen Menschen eher das Sinnbild für Frieden ist.

Ob und von welchen guten Geistern Pfarrer Gruber besessen oder verlassen ist, sei dahin gestellt. Doch die Art und Weise, wie er den Heiligen Geist erhöht und andere diskreditiert, reflektiert die schullehrerische Sprache der Kirche, die die Wahrheit angeblich von Gott geschenkt bekommen hat.

Der Geistliche weist zum „Beweis“ des unguten Geistes auf Goethe und seinen „Faust“ hin.

Herr Gruber benutzt ganz ungeniert einen Dichter der Aufklärung, um der religiösen Verklärung neue Nahrung zuzuführen. Goethe war wirklich kein großer Freund der Kirche und hat aus dieser Anschauung keinen Hehl gemacht. Ein recht unverblümtes Zitat des Dichters belegt dies sehr drastisch: „Es ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche. Aber sie will herrschen, und da muß sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der unteren Massen.“ Quelle: Zu Johann Peter Eckermann (1792-1843), seit 1823 Goethes vertrauter Hausgenosse, Schreibhelfer und Herausgeber der »Gespräche mit Goethe«.

An diese „bornierte Masse“ richtet sich wohl die Predigt des Herrn Gruber, der gleich darauf auf den Zeitgeist eingeht. Der Zeitgeist ist für die Kirche etwas ganz Schreckliches, denn er ist sozusagen für vieles verantwortlich, was der Kirche schadet – zum Beispiel die Missbrauchsfälle. Das sagt der Chef, Papst Benedikt XVI., und der muss es wissen, weil er unfehlbar ist.

Im Anschluss an diese „Wahrheit“ wird der Zeitgeist in die direkte Nachbarschaft mit Tischerücken, Gläserrutschen, Kartenlegen und Pendeln als Sinnbild für die Bösartigkeit des Geisterglaubens gerückt?

Angesichts solcher verbalen Ergüsse und des lähmenden Chorgeistes unter der Klerikerkaste muss man sich nicht wundern, dass die Austrittszahlen dramatisch ansteigen.

Pfarrer Gruber scheint an Goethe einen Narren gefressen zu haben, denn er zitiert ihn noch einmal: „Und dann werden sie diese Geister nicht mehr los. Sie werden verfolgt von diesen Ungeistern, die sie abhängig machen und in die Angst führen. ’Die Geister, die ich rief - ich werd sie nicht mehr los’, heißt es in Goethes Zauberlehrling.“

Den „Heiligen Geist“, den die Christen erbitten, würde man nicht so schnell wieder los, heißt es dann sinngemäß.

Erbitten? Den Heiligen Geist?

Welcher Christ hat sich freiwillig unter den Einfluss dieses Blendwerkes gestellt?

Die Mehrheit der Kirchenmitglieder wurde doch als unmündiges, zum Widerspruch noch unfähiges Kleinkind in die Kirche eingegliedert.

Bis auf wenige Ausnahmen hat kein Mitglied der Kirche aus eigenem Antrieb diesen Geist angerufen.

Dr. Gruber glorifiziert den Heiligen Geist als einen, der nur zum Guten wirkt, sowie Frieden und Nächstenliebe schenkt.

Wo war dann dieser Geist, als die Christen ihre Kreuzzüge gegen Andersgläubige unternahmen? War er abwesend, als die Ustascha 1941 in Jugoslawien aus religiösen Motiven mordend durch die Gegend zog?

Hätte er - der Friedensgeist, die weiße Taube - da nicht einschreiten müssen?

Fragen, die der Geistliche nicht gern hören wird.

Geister, Gespenster, Trugbilder waren und sind ein Teil des menschlichen Daseins. Jeder Mensch hat sie persönlich erfahren. Fast jeder hat als Kind in der Nacht dann und wann einen „Geist“ gehört und Angst verspürt. Kinder lauschen auch heute noch mit großen Augen dem Märchen von den Heinzelmännchen. Wenn sich Aladins Geist aus der Flasche erhebt, bleiben die Münder der Kleinen auch im 21. Jahrhundert noch voller Staunen offen.

Irgendwann aber begreift fast jeder, dass diese Geschichten ins Reich der Fantasie und der Märchen gehören. Daran wird auch die Bevormundung eines Dr. Gruber nichts ändern.

Das, was die Kirche veranstaltet, ist aufgedrängt und dient der Sicherung der Macht.

Der eine oder andere Geist im Alltag hat dagegen noch keinem geschadet, weil er sich meistens in der Erkenntnis auflöst, dass alles nur ein Irrtum war.

Es sei denn, man ist geneigt, Pfarrer Gruber Gehör zu schenken.


Thomas Häntsch