Kolumne: Sitte & Anstand

Die Prophetin vor der Schrankwand

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Schrankwand nach missglücktem Wirbelsturm-Wegbet-Versuch. (Symbolbild)

Ein bisschen Respekt darf man ja schon wohl noch erwarten, so als allerhöchstes Wesen, das sich die Welt ausgedacht hat inklusive aller Menschen, Tiere, Pflanzen, Wirbelstürme, Donnerwetter, Viren, Krankheiten, Parasitenbefälle, aller Schulterpolster, Arschgeweihe, Flipflops und pinken Perücken, aller Völkermorde, Meteoriteneinschläge und Weltkriege, als Schöpfer von Armin Lanz und Markus Laschet und Schalke 04.

Der hat alles schon erlebt und gesehen, dem neutralen Beobachter drängt sich dabei der Eindruck auf, alles langweile ihn mittlerweile ein wenig, und die interessante Frage dabei ist: Hat er seine ganze Superpower einfach so abgegeben, ist sie ihm beim Einschlafen auf dem Fernsehsessel wie eine Fernsteuerung entglitten, so dass jeder Regenmacher und Provinzprediger mit ein bisschen Geschick nun göttliche Macht ausüben kann? Oder muss man ein ganz besonderes Hallelujah und Brimborium betreiben, um ihn ein bisschen aus seinem Schöpferschlaf aufzuwecken und zum Eingreifen hinieden zu überreden?

Mindestens der Respekt vor den Gläubigen, so sollte man meinen, gebietet ja wohl ein wenig Ehrfuchtszirkus, Weihrauchduft und tolle Rituale – Blut, das geschluckt, Leib, der gegessen wird, tolle Gewänder und riesige Kathedralen! Um den Glauben an überirdische Dinge zu ermöglichen, sind außergewöhnliche Inszenierungen nötig – und nun aber schauen wir mal, bitte, was uns da von Prediger- und Prophetinnenseite angeboten wird!

Letzthin bin ich mal bei Kat Kerr vorbeigesurft, das ist eine Frau aus Florida, die schon den Himmel von innen gesehen hat, viele sauspannende Dinge darüber zu berichten weiß und die sich über Zigtausende Follower aus aller Welt freuen darf, fast wie ihr Gott. Eines ihrer Hobbys ist es, die Kontrolle über Wirbelstürme zu übernehmen, um Schaden von der Menschheit abzuwenden – meist mit mäßigem Erfolg.

Aber das wundert uns auch wenig, denn wie sieht das denn aus, was die Prophetin da macht? Kirche, Weihrauch, Chöre? Nix ist. Irgendwo in ihrem Wohn- oder Schlafzimmer sitzt die Prophetin, sie plappert einfach mal drauflos wie eine etwas vereinsamte, aber immer noch lebenslustige Omi, und nach einem kleinen Rüffel kriegt sie immerhin die Kameraperson dazu, ihre hingeschluderten Gebetsformeln zu wiederholen. Und so dauert es nur wenige Augenblicke, bis sie, vor der Schrankwand sitzend, den vernichtenden Wirbelsturm Ida gezähmt hat wie die nicht minder vernichtenden und killenden Wirbelstürme zuvor: Die haben sich nämlich einfach immer weiter landeinwärts bewegt, wie wenn Kat Kerr irgendwie an ihnen vorbeigebetet hätte.

Gott, so die Botschaft, ist das wohl einfach zu doof gewesen, diese Art der Ansprache, früher war ja viel mehr Lametta, und wenn in nächster Zeit weitere, immer wilder wütende Wirbelstürme folgen sollten, so werden die wohl auch ein wenig auf Kat Kerrs Konto gehen. Wir möchten also sehr ernst bitten: Mal ein bisschen mehr Mühe geben! Was bleibt denn von der ganzen Glauberei, wenn es nicht einmal Rituale und Sammlung und tiefstmögliche Verneigung vor dem höchsten Wesen gibt? Ja. Nix eben.

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