Österreich

Die ersten Schüsse gegen den Faschismus

Letztes prominentes Opfers der Rache des Dollfuß-Regimes war der obersteirische Arbeiterführer und Schutzbundkommandant Koloman Wallisch. Ihm war die Flucht gelungen. Nachdem er verraten worden war, wurde er festgenommen und gehängt. Um das nach außen hin legal tun zu können, ließ das Dollfuß-Regime die Standrechtsverordnung verlängern. Bert Brecht widmete Koloman Wallisch die gleichnamige Kantate.

Steiermark, Bruck-Mur Kornmesserhaus

Karl May statt Karl Marx

So schnell wie möglich vernichtete das Regime in Zusammenarbeit mit einer allzu eifrigen katholischen Kirche die bedeutende Arbeiterkulturbewegung. Die zahlreichen Arbeiterbibliotheken wurden von “verdächtigen” Werken gesäubert, nach Gutdünken der Heimwehr oder auf Zuruf des örtlichen Pfarrers, der Rest der Bestände beschlagnahmt. Karl May statt Karl Marx sollte die Herzen der Proletarier erfreuen. Arbeitervereine wurden zerschlagen, ihr Vermögen beschlagnahmt. Nichts sollte mehr an die verhasste Sozialdemokratie erinnern.

Kirchen neben Gemeindebauten gepflanzt

Neben große Gemeindebauten kleisterte die Dollfuß-Regierung nach Möglichkeit Kirchen, wie 1935 die Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche in Wien Fünfhaus. Alle Bewohner waren verpflichtet, den Sonntagsgottesdienst zu besuchen. War mit der Maßnahme erst die Hoffnung verbunden, die Arbeiter wieder katholisch zu machen, diente sie später dazu, das Versammlungsverbot zu überwachen.

Seipel-Dollfuß-Kirche

Als letzten Akt des Widerstands pinselten in den Wochen nach der Niederlage vor allem jugendliche Sozialdemokraten in ganz Wien den Spruch: “Wir kommen wieder”.

Der Kampf wird zum Mythos

Trotz der deutlichen und schnellen Niederlage wurden die Februarkämpfe zum Mythos im Kampf gegen den Faschismus. Anders als in Italien und Deutschland war die Republik, war die Sozialdemokratie, nicht ohne Kampf untergegangen.

Auch wenn der 12. Februar nach Kriegsende heroisiert und übersteigert wurde, bildete er bis zum Ende des Faschismus 1945 einen emotional aufgeladenen Bezugspunkt für zahlreiche Widerstandsbewegungen. So im Kampf der spanischen Republikaner gegen den Franco-Faschismus.

Das lag auch daran, dass unter den internationalen Freiwilligen auf Seiten der spanischen Republik viele ehemalige Schutzbündler waren, die im Februar 1934 gekämpft. Nach ihnen war das Februar-Bataillon benannt.

Widerstand nach 1934

In Österreich zerfiel die Sozialdemokratische Partei nach dem Ende der Kämpfe rasch. Teile leisteten von der Tschechoslowakei aus Widerstand. In Brünn (Brno) erschien die Arbeiterzeitung, die über die Grenze geschmuggelt wurde. In Österreich selbst spalteten sich die illegal Aktiven auf. Die Revolutionären Sozialisten bildeten die eigentliche Nachfolgepartei. Ihnen gehörte der spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky an.

Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Sozialdemokraten lief zur KPÖ über. Sie sollte im Kampf gegen den Faschismus den höchsten Blutzoll zahlen. Das lag nicht nur an ihrem Widerstandswillen. Viele Aktionen erscheinen im Nachhinein als Himmelfahrtskommandos.

Das ruhmlose Ende der Klerikalfaschisten

Dem Dollfuß-Regime brachte die Zerschlagung der Sozialdemokratie nur vorübergehend Festigkeit. Die Republikaner war man los. Die Nationalsozialisten nicht. Sie versuchten – reichlich dilettantisch – im Juli 1934 einen Putsch. Der einzige Erfolg aus ihrer Sicht: Ein Putschist erschoss Engelbert Dollfuß im Bundeskanzleramt. Nur war der Mord im engeren Sinn gar nicht Teil des Plans gewesen. Dollfuß gilt der konservativen Reichshälfte seitdem als Märtyrer.

Der ermordete Engelbert Dollfuß

Bis zu seinem ruhmlosen Ende ähnelte das klerikalfaschistische Regime in Österreich, neuerdings “christlicher und deutscher Staat auf ständischer Grundlage” allen Repressionen zum Trotz mehr einer Travestie einer Diktatur als einem ernst gemeinten Staat. Die ständestaatliche Verfassung, beschlossen mit großem Pomp, erwies sich als Rohrkrepierer und wurde de facto nie umgesetzt.