Land Berlin schließt Staatsvertrag mit Heiligem Stuhl

Alle paar Jahre wieder: Die Kirche erneuert oder schließt neue Verträge mit Bundesländern, um sich bestimmte Privilegien zu sichern und Einfluss auf die (Aus-)Bildung von Heranwachsenden zu nehmen. Die römisch-katholische Kirche steht in Berlin nun auch mit dem letzten bisher noch konkordatfreien Bundesland kurz vor dem Abschluss einer solchen rechtlich bindenden Regelung. Der Trennung von Staat und Religion wird damit ein echter Berliner Bärendienst erwiesen.

Die Idee von Staatsverträgen zwischen Kirchen und Nationalstaaten oder einzelner Gliederungen davon stammt noch aus einer Zeit, in der Kirche und Staat gemeinhin als eine Einheit betrachtet wurden. Einer der ersten stammt dem Jahr 1122: Das Wormser Konkordat, bei dem der Versuch unternommen wurde, säkulare und religiöse Interessen auszutarieren. Damals hatte die Kirche jedoch noch enorme Macht. Kaiser und König galten als "Herrscher von Gottes Gnaden". Solche historischen Überbleibsel der Vertragsbildungen sind auch heute noch vielerorts in Kraft und "schützen" die Kirchen rechtlich abgesichert davor, weltliche Gesetze in ihren eigenen Einrichtungen – wie etwa jenes zum Arbeits- und Streikrecht – vollumfänglich umzusetzen. Religiöse Gemeinschaften framen diese Handhabung regelmäßig als ein ihr vermeintlich zustehendes "kirchliches Selbstbestimmungsrecht".

Auch weitere Privilegien wie zum Beispiel jene zu Vermögensangelegenheiten oder aber zum Einzug der Kirchensteuern durch den Staat sind häufig noch einmal gesondert in den Staatsverträgen der katholischen Kirche mit den Bundesländern festgehalten. Auch die staatliche Finanzierung von religiösen Würdenträger:innen ist darin meist in einem eigenen Kapitel vorzufinden. Hinzu kommen vertraglich festgehaltene Erziehungsziele wie: "Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott und im Geiste der christlichen Nächstenliebe zu erziehen." Ebenso sind nicht selten vertraglich verbriefte Sonderrechte bei den Sendezeiten der Rundfunkanstalten für religiöse Offenbarungs- und Glaubensverkündungssendungen in diesen Schriftstücken vorhanden. Die Denkmalpflege "kircheneigener Kulturdenkmäler" wird ebenfalls nicht ausschließlich aus den Kassen der Kirchen finanziert, sondern zu einem großen Teil auch vom Staat. Und auch der Umstand, dass "Träger kirchlicher Friedhöfe […] Benutzungs- und Gebührenordnungen erlassen" können, wird neben vielen weiteren Vorzügen in solchen Verträgen geregelt.

Ein Aspekt ist für die Kirchen allerdings von besonderer Bedeutung: Der Einfluss auf Schüler:innen, Student:innen und die Jugendarbeit im Allgemeinen. Die Ausgestaltung des Religionsunterrichts, die Ausbildung von Religionslehrer:innen, die Besetzung von theologischen Fakultäten oder die religiös geprägte Seelsorge sind nach Ansicht der Kirchen Aufgaben, die nur sie moralisch und fachlich korrekt auszuüben vermögen. Auch das Recht der Gründung von Schulen unter kirchlicher Trägerschaft wird in den Konkordaten geregelt. Diese Verquickung von Staat und Religion bringt einige Schwierigkeiten mit sich. Das Land Rheinland-Pfalz muss etwa seit der Unterzeichnung eines solchen Vertrags durch Johann Peter Altmeier (CDU) im April 1969 "dafür Sorge tragen, daß der kirchlichen Erziehungswissenschaftlichen Hochschule die gleichen akademischen Rechte wie vergleichbaren staatlichen Hochschulen des Landes eingeräumt werden". Im Saarland hat sich im Februar 1985 der Heilige Stuhl sogar Vetorechte vertraglich garantieren lassen, die ihn faktisch in der Ausübung über den Staat stellen: "Die Mitwirkung des zuständigen Ministers bei der Einrichtung, Änderung oder Aufhebung von Studiengängen nach Absatz 1 wird nur im Einvernehmen mit der zuständigen kirchlichen Oberbehörde erfolgen."

In diesem Kontext ist auch der jüngste Vertragsabschluss des Heiligen Stuhls zu betrachten: Das an der Humboldt-Universität zu Berlin gegründete Zentralinstitut für Katholische Theologie ist Gegenstand des ersten katholischen Staatsvertrags des Landes. Das "Studienangebot, die organisatorische Verankerung des Instituts an der Universität sowie die Berufung von Professorinnen und Professoren" sollen fortan unter Federführung der christlichen Organisation stattfinden. Sobald die regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) den entsprechenden Vertragsentwurf der Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) zusammen mit Erzbischof Nikola Eterovic unterzeichnet hat, wird dieser geltendes Recht. Der Trennung von Staat und Religion wird damit aktiv entgegengewirkt und die Vormachtstellung sowie die Ausnutzung bestimmter Privilegien der Kirchen als Arbeitgeber begünstigt. Ein herber Rückschlag für alle Menschen, die die Säkularisierung der Gesellschaft als etwas Positives ansehen.

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